Kindergartenkind,  Tragen

7 Gründe, warum ich meinen fast 5-jährigen Sohn noch (bzw. wieder) regelmäßig im Tuch trage

Ende Mai habe ich es getan und mir ein 9€-Ticket besorgt. Seit dem fahren der Frosch und ich an einigen Tagen in der Woche mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Kindergarten von Düsseldorf nach Duisburg und wieder zurück. Da wir im Zuge dessen auch einiges an Fußweg zurücklegen statt von Tür zu Tür mit dem Auto zu fahren, komme ich seither wieder viel öfter in den Genuss des Tragens. Während Babys im Tuch oder der Tragehilfe (zumindest hier im Ballungsgebiet) bereits ein gewohnter Anblick sind, sorgt dieses große Kind auf meinem Rücken doch für verwunderte Blicke. Nachdem ich von einer älteren Dame angesprochen wurde – sie war sehr freundlich und vor allem neugierig -, möchte ich in diesem Beitrag sieben gute Gründe aufführen, warum auch größere Kinder noch getragen werden (dürfen).

  1. Damit ich in Ruhe kochen kann: Auch mit knapp 5 hat der Frosch abends ein großes Bedürfnis nach Nähe. Natürlich oft genau dann, wenn ich gerade das Abendessen vorbereiten möchte. Also schnell auf den Rücken, Kind kuschelt zufrieden und ich kann kochen, ohne dass ein jammerndes oder weinendes Kind an meinem Bein hängt und ich irgendwann völlig genervt bin. Win-Win!
  2. Handtaschenformat: Ein Tuch passt gefaltet oder zusammengerollt in meine Tasche bzw den Rucksack. Ein Kinderwagen oder Buggy nicht. Wieso sollte ich mich also selbst mit so einem Gefährt den ganzen Tag behindern, wenn ich es nur für die letzte halbe Stunde brauche?
  3. Kleine Körper werden manchmal ganz plötzlich müde: Auch wenn der Frosch gerade noch voller Freude gespielt hat, bemerkt er seine Müdigkeit meist erst dann, wenn das Spiel vorbei ist. Plötzlich sind seine Beine dann so müde, dass er manchmal bitterlich weint und sich einfach auf den Boden setzt. Sitzstreik! Wenn ich Zeit habe, setze ich mich da durchaus einfach daneben. Sonst (z.B. wenn ich pinkeln muss) ist das ganz schön kacke. Also lieber schnell ins Tuch und weiter.
  4. Es ist angenehmer als vorne auf dem Arm, Huckepack oder gar auf den Schultern: Beim Runterheben von den Schultern habe ich mir mal so sehr den Nacken verknackst, dass ich den Frosch tagelang gar nicht mehr hoch heben konnte. Mit Tuch oder Tragehilfe ist es für mich schlicht ergonomischer, bequemer und ich habe die Arme frei für alles, was gerade ansteht.
  5. Die Bindeweise macht den Unterschied: Ein starkes gewebtes Tuch in Kombination mit einer Bindeweise, die mehrfache Tuchbahnen beinhaltet (wie z.B. der Double Hammock), verteilt auch rund 20kg gut über den Oberkörper.
Ein Frau trägt ein 5 Jahre altes Kind in einem Regenbogen bunten Tragetuch auf dem Rücken. Beide lachen in die Kamera.
Nach einem langen Tag im Kindergarten und einem Nickerchen in der S-Bahn sind die Beine vom Frosch zu müde, um noch weit zu laufen. Also ab auf den Rücken! Hier war ein Double Hammock geplant, aber irgendwas ist schief gelaufen. Das improvisierte Finish kann sich trotzdem sehen lassen. Oder was meinst du?

  1. Es kann Kraft- und Cardio-Training sein: Mit dem Zusatzgewicht (hier knapp 20kg) kommt der Kreislauf beim Tragen großer Kinder gut in Wallung. Die Intensität des Trainings steuere ich über meine Laufgeschwindigkeit. Gemütliches Schlendern oder flottes Walken – letzteres macht ein prima Workout her. Beim Spülmaschine Ein- und Ausräumen ergibt sich eine großartige Gelegenheit für intensive Squats.
  2. Menschenkinder sind Traglinge. Und bleiben lange Mitnehmlinge. Als ich den Frosch nach einem siebten guten Grund fürs Tragen fragte, sagte er ganz schlicht: „Weil ich nicht so weit laufen kann.“

All das sind gute Gründe für das Tragen eines älteren Kindes. Gleichzeitig gibt es auch zahlreiche gute Gründe, es nicht zu tun. So kommt es auch hier oft genug vor, dass ich Nein zum Tragen sage. Es kommt ganz auf die Situation, meine Tagesform und meine Energie an.

Ist mein „Nein“ wirklich not-wendig?

Auch bei diesem Thema hilft mir ungemein die Frage danach, ob mein Nein wirklich notwendig ist. Diese Grundsatzfrage von Nicola Schmidt begleitet mich jetzt schon seit einigen Jahren – und ich weiß gar nicht mehr, wo genau ich sie das erste Mal gelesen habe… Im artgerecht Kalender 2019?

Jedes Mal frage ich mich also: Wendet mein Nein zum Tragen eine Not ab? Wer hat hier die größere Not? Mein Kind oder ich? Und spätestens, wenn wir nach einem langen Tag vor der Treppe stehen und mein Sohn darum bittet, getragen zu werden, versetze ich mich in seine Lage: Ich für meinen Teil würde auch in große Not geraten, wenn ich in dieser Situation so viele Stufen erklimmen müsste, die mir bis zum Knie reichen.

Wenn ich voll gepackt mit mehreren Taschen bin, kann ich allerdings nicht auch noch mein Kind die Treppe hoch tragen. Wenn ich Rückenschmerzen habe und eben diesen schonen will, trage ich ihn nicht.

Das darf mein Kind doof finden. Dann gilt es, den Frust und die Wut meines Kindes auszuhalten, manchmal auszusitzen und mit in den Sitzstreik zu gehen. Atmen, da zu sein, die Gefühle durchrauschen zu lassen, ohne mich selbst reinziehen zu lassen. Das kann harte Arbeit sein. Ganz besonders dann, wenn wir ein laut weinendes Kind da sitzen haben und auch noch das Kopfkino mit der Frage startet „Was sollen die Nachbarn/Passanten nur denken?“.

Wenn wir Großen nicht gelernt haben, unsere Grenzen authentisch zu wahren, dann kann eine solche Situation großen Stress auslösen. Wie es gelingen kann, in so einer Situation ruhig und gelassen, klar und zugewandt zu bleiben, ist ein Thema für einen weiteren Blogbeitrag.

Im Allgemeinen finde ich, dass wir von unseren (großen) Kindern oft zu viel erwarten. Denn auch mit drei, vier oder fünf Jahren sind unsere Kinder noch klein. Sie können allein körperlich noch lange nicht mit uns Großen mithalten. Indem sie danach fragen, getragen zu werden, sorgen sie gut für sich. Damit stellen sie sicher, dass sie den Anschluss an die Gruppe nicht verlieren.

In der Steinzeit wäre das ihr Todesurteil gewesen.

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